16. September 2025
Aromen im Wein

Nase, Zunge, Kopfkino – So schmeckst du Aromen im Wein

Aromen im WeinAromen im Wein – klingt simpel, oder? Ist es aber nicht. Denn sobald du tiefer in ein Glas blickst (oder besser gesagt: hineinriechst), merkst du schnell, dass da viel mehr passiert als nur „Fruchtig!“ oder „Schmeckt nach Holz!“ Aber was genau meinen wir eigentlich, wenn wir über Aromen reden? Und was hat dein Großhirn damit zu tun?

🍇 Was sind Aromen überhaupt?

Kurz gesagt: Aromen sind kleine, flüchtige Moleküle – und große Künstler der Verführung. Sie entstehen durch natürliche Prozesse in der Traube, bei der Weinbereitung oder bei der Lagerung. Sie flüstern dir zu, was für ein Wein in deinem Glas ist – und manchmal erzählen sie dir sogar Geschichten, die dich an Omas Apfelkuchen, einen Waldspaziergang im Herbst oder den letzten Italienurlaub erinnern.

Wissenschaftlich betrachtet können bis zu 7000 verschiedene Aromen im Wein vorkommen, etwa 1000 davon konnten bislang nachgewiesen werden. Und 94 davon gelten als besonders typisch – sie finden sich auch im bekannten Aroma-Rad, dem kleinen Kompass für die Nase. Was sich wie eine Chemie-Vorlesung anhört, ist in Wahrheit ein großartiger Sinnes-Zirkus – wenn man weiß, worauf man achten muss.

🌱 Drei Aromenarten – Primär, Sekundär, Tertiär

Die Aromavielfalt im Wein lässt sich grob in drei Kategorien einteilen – je nachdem, wann und wo sie entstehen:

1. Primäraromen

Sie stammen direkt aus der Traube oder entstehen während der alkoholischen Gärung. Hier begegnen dir blumige Noten, knackige Früchte, Kräuter oder Würze. Besonders bei jungen Weißweinen sind sie oft dominant.
Ein Sauvignon Blanc, der dir Limette, Holunderblüte und frisch geschnittenes Gras entgegenschickt? Primäraromen par excellence.

Spannend: Wie intensiv diese Aromen ausfallen, hängt vom Terroir ab – also vom Klima, vom Boden, vom Wasserangebot. Der Boden selbst schmeckt zwar nicht mit (Spoiler: „mineralisch“ ist eher ein Gefühl als ein messbarer Stoff), beeinflusst aber die Rebe und somit auch das spätere Aroma.

2. Sekundäraromen

Die entstehen erst im Keller – durch Entscheidungen des Winzers. Ob Hefelager, malolaktische Gärung, Fassausbau oder Mikrooxidation – all das kann Aromen erzeugen wie Butter, Toast, Vanille, Brioche oder Rauch.
Hier kommt also die Handschrift des Winzers ins Spiel. Sekundäraromen sind quasi das „Styling“ des Weins.

3. Tertiäraromen

Die ganz feinen, reifen Noten kommen erst mit der Zeit – durch den Kontakt mit Sauerstoff in der Flasche. Typische Aromen sind Trockenfrüchte, Leder, Pilze, Nüsse oder Tabak.
Je länger ein Wein lagert, desto komplexer und tiefer wird sein Aroma. Aber Achtung: Irgendwann wird aus reifer Schönheit Überreife. Dann kippt die Aromatik – und der Wein ist „drüber“.

👃 Nase rein! Wie du Aromen überhaupt wahrnimmst

Jetzt wird’s spannend: Wie erkennt man Aromen überhaupt?
Überraschung: Deine Zunge ist dafür nur Nebendarstellerin. Sie schmeckt gerade mal fünf Dinge – süß, sauer, salzig, bitter und umami. Der Rest? Kommt über die Nase. Und zwar in zwei Varianten:

  • Orthonasal – das klassische Schnuppern durchs Riechorgan.

  • Retronasal – das „Zurückriechen“ über den Rachen beim Kauen und Schlucken.

Wenn du einen Wein im Mund „bewegst“, kitzelst du genau diese retronasalen Aromen heraus. Der Neuroforscher Gordon Shepherd nennt das Ganze sogar „Neuroönologie“ – und erklärt, dass unser Gehirn beim Weinschnüffeln mehr leistet als ein Hund mit Supernase. Warum? Weil wir die Aromen nicht nur riechen, sondern interpretieren, abspeichern, verknüpfen – und emotional bewerten.

🧠 Wein, Erinnerung & Emotion

Kennst du das? Du riechst an einem Glas Rotwein – und plötzlich bist du 12 und stehst wieder im Obstgarten deiner Oma?
Das ist kein Zufall. Der Geruchssinn ist direkt mit deinem limbischen System verbunden – dem Zentrum für Emotionen und Erinnerungen. Deshalb können Aromen Erinnerungen wecken wie ein Soundtrack für die Nase. Egal ob Cassis, Rosenkohl oder das Parfum der ersten Liebe – Gerüche berühren uns wie kaum ein anderer Sinn.

🧪 Übung macht die Nase

Du willst deine Nase schulen? Dann leg dir ein Aroma-Set zu!
Das sind kleine Fläschchen mit typischen Duftstoffen, die dir helfen, bestimmte Aromen zu erkennen und zu benennen. Gerade für angehende Wein-Nerds ein fantastisches Tool – und ein echter Aha-Moment beim nächsten Blind-Tasting.


🍷 Fazit: Aromen sind der Poetry-Slam des Weins

Weinaromen sind kein Geheimcode – aber sie wollen entschlüsselt werden. Mit Neugier, mit Geduld und mit Spaß. Und mit einer Nase, die nicht nur riecht, sondern auch „denkt“.

Also: Nase ins Glas, Schluck nehmen, Mund bewegen, Augen schließen. Was sagt dir der Wein?